Wilde Natur
Wilde Natur

3. Tag

von Ischgl

nach Naturns

  • 46 km
  • 1800 Höhenmeter



Der laut Tourbeschreibung härteste Tag ruft.

Leider hat das Buch recht.

 

Das Nur-raus-aus-Ischgl gestaltet sich schwieriger als erwartet. Die Straße führt direkt unterhalb des Ski-Liftes  entlang und zwar nur in eine Richtung: steil nach oben. Nach satten 1 ½ Stunden und 7 km bergauf endet die Tortur  an der Bergstation auf 2200 m.

Grenzerfahrung. 

Selten so einen steilen Berg gefahren.

Wir müssen allerdings noch mitten durchs Skigebiet über den Alpenhauptkamm auf das äußere Viderjoch. Dies ist in einiger Enfernung schon zu sehen, noch weitere 6km . Mitten in der Skipiste  tut sich  vor uns eine Baustelle auf, schwerstes Baugerät  durchtrennt den Wanderweg. Mitten drin stehen 5 bekennende Rheinländer und 1 Franke und werden von österreichischen Bauarbeitern wüst beschimpft. Wir müssen wieder ca. 150 Hm zurück und die Baustelle weitläufig umgehen, dann geht’s wieder weiter nach oben über eine Baustraße. Hier erwartet uns knöcheltiefer Schlamm, der in seiner Konsistenz eher an zähflüssigen Beton erinnert. Mittlerweile sind alle beweglichen Teile der Bikes blockiert, fahren ist schon lange nicht mehr möglich. Jetzt ist nur noch durchhalten angesagt. Mit ganz langsamen Schritten nähern wir uns dem Viderjoch, ist gar nicht so einfach, die matschverklebten Bikes so steil nach oben zu drücken. Die Höhenluft setzt jedem zu. Sauerstoff mangel haben die Trainingseinheiten im Siebengebirge nicht hergegeben.

Nach 3 Stunden und 50 Minuten haben wir das Viderjoch erreicht .

Geschafft, im wahrsten Sinne des Wortes, wenn auch nur  grade mal 13km der heutigen Tagesetappe. Es zieht ganz schön hier oben und der Schnee ist mehr als ein Rest. Ob in Powerbar auch Stimmungsaufheller drin sind?

Dick eingemummt geht’s auf einer Traumabfahrt über Schotter runter nach Laret nahe Samnaun in die Schweiz. Hinter Laret geht der Downhill auf der Straße weiter. Mit über 50 km/h rasen wir den Ischgl Frust von uns - bis plötzlich alles dunkel wird. Die Straße führt ohne jegliche Vorwarnung durch einen unbeleuchteten, völlig düsteren Tunnel, einspurig und mit 90°-Linkskurve. Keiner sieht mehr was, Vollbremsung. Kurz vor der Felswand mitten im Tunnel kommen alle zum stehen - Richtig Glück gehabt. 

Ein nettes Motorrad-Pärchen patrouilliert mit Scheinwerfer vor uns und Rücklicht hinter uns durch die nächsten 3 dunklen Röhren bis ins Tal. Unten in jetzt wieder warmen Gefilden gibt´s auf den Schrecken erstmal ein Radler und Speckbrett. 20 Minuten weiter talwärts verlassen wir die Schweiz nach sehr kurzem Aufenthalt wieder und kurbeln uns den für heute letzten Anstieg ca. 350 Hm über 11 Serpentinenkehren rauf nach Nauders (Österreich).

Dieser Anstieg ist nicht wirklich weit, aber es zieht sich. Das reicht uns wirklich für heute, wir sind aber nicht bei Wünsch-dir-was, sondern bei Iss-so.

Um 16.30 Uhr Landung in Nauders, einem sehr schönen Ort am Reschenpass, das obligatorische Gruppenbild mit Ortsschild muss sein und dann geht’s ab zur Unterkunft.

Als man unsere verschlammten Bikes sieht erübrigt sich die Frage nach einem Wasserschlauch, den gibt man uns gerne und so können wir zuerst die Boliden einigermaßen erlösen. Nicht nur wir, auch das Material hat heute ganz schön gelitten.

Unsere Zimmer haben einen schönen großen Balkon, auf diesem genießen wir nach einer ordentlichen Dusche und der obligatorischen Buntwäsche die Abendsonne bei einer Flasche Bier – das zischt !

Abends gibt’s beim „Goldenen Löwen“ Fleischwaren und Appenzeller Schnaps.